Ausfall der Ergotherapie bei Kindern: Tipps für die Corona-Zeit

von Ilka Hey (staatlich anerkannte Ergotherapeutin B.Sc.)

Ausfall der Ergotherapie für Kinder

Hier finden Eltern einige Tipps, wie die Zeit ohne Ergotherapie überbrückt werden kann.

Struktur für Kinder schaffen

Mit dem Ausfall der Schule/Kindergarten, Hobbys und Therapien fehlt ihrem Kind ein großer Anteil an Strukturen und Ritualen im Alltag. Dies kann sich negativ auf das Verhalten ihres Kindes und dem gesamten System ihrer Familie auswirken.

Eine der wichtigsten Aufgaben: Schaffen Sie Struktur!

Erstellen Sie gemeinsam mit ihrem Kind einen Wochenplan oder sogar täglich einen Tagesplan. Schreiben Sie einzelne Punkte & Aktivitäten auf, sodass für alle klar und ersichtlich  ist was heute ansteht und wie der Tag verlaufen wird. Hängen Sie die Liste auf und lassen Sie ihr Kind die einzelnen Aktivitäten abhaken/durchstreichen.

Beispiel: Tagesplan für Tag 1

  1. Schulaufgaben
  2. Obstsalat machen
  3. Kartenspielen
  4. Im Wald nach Verstecken und Höhlen suchen
  5. Ruhezeit
  6. Gemeinsam Pizza zubereiten

Beispiel: Tagesplan für Tag 2

  1. Zahnputzparty
  2. Schulaufgaben machen
  3. Sport mit Youtube-Videos im Wohnzimmer
  4. Entspannungsgeschichten bzw. Fantasiereisen
  5. Ruhezeit
  6. Geo-Cache Spaziergang
  7. Gemeinsam Lasagne zubereiten

Medienkonsum im Blick haben

Das deutschlandweite Kontaktverbot schränkt den sozialen Austausch und die Freizeitgestaltung natürlich stark ein, ist aber eine notwendige Maßnahme, um die Situation so schnell wie möglich in den Griff zu bekommen. Versuchen Sie trotz der erschwerten Rahmenbedingungen den Medienkonsum ihres Kindes zu begrenzen.

Eine wissenschaftliche Einschätzung gibt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (vgl. Quelle):

Mediennutzung 0-3 Jahre

  • Bücher: Bilderbücher anschauen und vorlesen
  • Hörmedien: höchstens 30 Minuten am Tag
  • Fernsehen/Video: am besten gar nicht
  • Computer/Smartphone: am besten gar nicht

Mediennutzung 3-6 Jahre

  • Bücher: Bilderbücher anschauen und vorlesen
  • Hörmedien: höchstens 45 Minuten am Tag
  • Fernsehen/Video: zusammen höchstens 30 Minuten
  • Computer/Smartphone: zusammen höchstens 30 Minuten

Mediennutzung 6-10 Jahre

  • Bücher: Bücher lesen und vorlesen
  • Hörmedien: höchstens 60 Minuten am Tag
  • Fernsehen/Video: zusammen höchstens 45-60 Minuten
  • Computer/Smartphone: zusammen höchstens 45-60 Minuten

Hierzu empfiehlt sich ein Mediennutzungsvertrag, den Sie gemeinsam mit ihrem Kind besprechen und an den sich alle Beteiligten halten müssen. Beispiele dazu finden Sie unter: https://www.mediennutzungsvertrag.de/

Weiterhin sollten Sie im Auge haben, welche Medien ihr Kind nutzt und was es im Internet, auf dem Smartphone oder am Laptop tatsächlich zu sehen bekommt.  Begleiten Sie ihr Kind im Umgang mit Medien, schauen sie gemeinsam eine Serie oder seien Sie zumindest in der Nähe und Ansprechbar.

Sprechen Sie über Medien, die ihr Kind konsumiert. Hierbei geht es zum einen darum Gefahren und Probleme zu besprechen, aber auch Interesse zu zeigen und einen familiären Austausch zu schaffen. Lassen Sie sich von ihrem Kind zeigen, was es grade spielt/sieht und warum ausgerechnet dieses Spiel, diese Serie ihm so viel Spaß machen und ihm so gut gefallen.

Empfehlenswerte Quellen rund um das Thema Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen:

Zeit als Familien nutzen

Nutzen Sie die Zeit, um wieder vermehrt gemeinsame Aktivitäten stattfinden zu lassen. Kramen Sie Gesellschaftsspiele aus dem Keller, gestalten Sie eine Spieleolympiade, gestalten Sie gemeinsam mit allen Familienmitgliedern eine Art „Schlag den Raab“ im Familienkreis. Lassen Sie ihrer Kreativität freien Lauf.

Regen Sie den Neugier und Entdecker-Trieb ihres Kindes an. Suchen Sie gezielt im Internet nach einfachen Experimenten und Bastelideen.

Nehmen Sie sich auch Ruhezeiten. Diese können sowohl gemeinsam als Familie aber auch für jeden einzeln in seinem Zimmer stattfinden. Erlauben Sie sich auch, sich zurückzuziehen und ihre eigene Energie und Kraft wieder aufzutanken. Kommunizieren Sie aber unbedingt dieses Bedürfnis und diese Zeit, sodass ihr Kind weiß, welche „Ruhe-Regeln“ jetzt gelten, wie lange es sich daran halten muss und wann es wieder auf sie zukommen darf.

Achtsamkeit & Sinneswahrnehmung fördern

Bauen Sie gezielt aber auf spielerische Art und Weise Achtsamkeitsübungen in ihren Alltag ein, damit ihr Kind sich nicht in der Langeweile verliert.

Sie könnten z.B. alle Gegenstände einer bestimmten Farbe in ihrer Wohnung  suchen.  Oder gehen Sie in den Wald und lassen ihr Kind lauschen, wie viele unterschiedliche Vogelstimmen es hören kann.

Lassen Sie ihr Kind mit verbundenen Augen die Wohnung erkunden, bauen sie einen Hindernisparcours im Wohnzimmer auf, usw.
Regen Sie die verschiedenen Sinne ihres Kindes an, um diese zu stimulieren und der Langeweile entgegen zu wirken.

Unterstützung anfordern

Holen Sie sich Unterstützung! Telefonieren Sie regelmäßig mit Freunden und Familie. Lassen Sie auch ihr Kind z.B. mit den Großeltern oder Freunden skypen.

Sollten sie vorher Ergotherapie bekommen haben, gibt es nun in vielen Praxen die Möglichkeit der Tele-Therapie (Videotherapie oder Telefonate). Nutzen Sie diese Angebote und fragen sie in ihrer Ergopraxis nach! Oft hilft ein Austausch über aktuelle Schwierigkeiten und Probleme, sowie die Sichtweise einer außenstehenden Person.

Positiv Tagebuch einführen

Womöglich erscheinen Ihnen die Tage aktuell besonders anstrengend und lang. Hinzu kommt Unsicherheit und Ungewissheit wie lange die Situation noch andauert und wie es weiter geht.

Immer wieder kommt es in Familien zu Streit und angespannten Situationen. Versuchen Sie immer wieder den Blickwinkel auf das positive zu richten! Schreiben Sie ein Positiv-Tagebuch, ein Sonnenseiten-Tagebuch. Schreiben Sie dort ALLES auf, was ihnen am Tag gefallen hat. Dies kann sich auf ihre Kinder, Partner, einzelne Aktivitäten, Essen, Bilder, usw. beziehen.  Es gibt keine Grenzen.

Setzen Sie sich abends mit der Familie zusammen und lesen sich gegenseitig vor, was ihnen heute besonders gut gefallen hat und was sie gerne noch einmal wiederholen würden.

Folgende Fragen könnten Ihnen helfen:

  • Was hat mir heute Morgen am meisten Freude bereitet?
  • Was war heute Nachmittag die schönste Aktivität?
  • Was hat mir heute an meinem Kind besonders gut gefallen?
  • Was war heute das schönste, was ich gesehen habe?
  • Was war heute das leckerste was ich geschmeckt habe?
  • Welche Aktivität von heute würde ich gerne wiederholen?

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