von Ilka Hey (staatlich anerkannte Ergotherapeutin B.Sc.)
„Was kann ich tun, wenn mein Kind nicht auf mich hört?“ – Hier erfahren Sie zwei Möglichkeiten, um den Familienfrieden wieder herzustellen.
Inhalt:
So funktioniert das Familiensystem
Das erste und wichtigste was wir im Leben eines Kindes betrachten müssen, ist seine Umwelt und die Systeme in denen es lebt.
Dabei gilt die Familie natürlich als sehr enges und bedeutsames System in dem das Kind mit eingebunden ist. Die Familie ist das Erste was das Kind in seinem Leben kennen lernt. Umso wichtiger ist es also, als Familie von Anfang an gut zusammen zu arbeiten und zu funktionieren.
Doch wie funktioniert das Familiensystem, wer gehört dazu und wie kann man darauf eingreifen? Familiensysteme sind immer individuell und können von einer Kleinfamilie (Mutter und Kind) bis einer Großfamilie (Eltern, Kind, Geschwister, Großeltern, Tanten, Onkel, Cousine, etc.) reichen.
Machen Sie sich einmal bewusst, wer zu Ihrem Familiensystem gehört und wer Einfluss auf ihr Kind hat. Gibt es einen engeren Familienkreis und einen äußeren Kreis?
Wie funktioniert nun aktuell ihr engster Familienkreis? Wie zufrieden sind sie?
Oftmals kommen Eltern zu mir und berichten, dass ihr Kind die ganze Familie „sprengt“. Es hält sich an keine Regeln und macht was es will. Ruhige Familienzeiten gibt es schon lange nicht mehr. Alles geschieht unter Stress und Ärger.
In einem solchen Fall, frage ich zunächst, ob das Kind denn überhaupt weiß, an welche Regeln es sich halten muss. Was erwarten die Eltern? Was gibt es für Familienregeln? An welche Regeln müssen sich alle Familienmitglieder halten und nicht nur das Kind?
Nun stellt sich häufig heraus, dass diese Regeln nie irgendwie besprochen oder festgehalten wurden. Die Eltern sind sich oftmals gar nicht bewusst, was sie eigentlich erwarten, sondern merken nur, dass es nicht so klappt wie sie es sich wünschen. Je größer das Familiensystem ist, umso wichtiger ist es, dass alle Beteiligten sich den Regeln bewusst sind und alle die gleichen Regeln umsetzen.
Hier empfiehlt sich folgendes:
Einen Familienvertrag aufsetzen
Der Familienvertrag. In diesem Vertrag werden Regeln festgehalten, die für alle Familienmitglieder gelten. Dabei ist es wichtig, dass die Regeln für alle klar und verständlich formuliert sind. Bestenfalls werden diese in der ersten Familienkonferenz (siehe unten) gemeinsam aufgestellt. Der von mir formulierte Vertrag kann hierbei als Hilfe und Anregung dienen.
Weiterhin sollte besprochen werden, was geschieht, wenn ein Familienmitglied sich nicht an die vereinbarten Regeln hält. Wann gibt es er Verwarnungen, wann gibt es eine Strafe. Hierbei darf jedoch auf keinen Fall vergessen werden, festzuhalten, was passiert wenn bis zur nächsten Familienkonferenz, sich alle Mitglieder an die vereinbarten Regeln gehalten haben? Belohnung!
Die positiven und negativen Konsequenzen sollten also mit Erstellung des Vertrags festgehalten werden. Belohnungen sollten angemessen und für alle erstrebenswert sein. Meine Empfehlung sind hier keine materiellen Dinge, sondern gemeinsame Aktivitäten. Gemeinsam Schwimmen gehen, Eis essen, etwas als Familie kochen, gemeinsame Spiel & Spaß-Zeit oder ähnliches. Suchen Sie nach Aktivitäten die für alle Mitglieder ansprechend sind.
Beispiel für einen Familienvertrag
Unsere Regeln:
- Wir unterstützen und helfen uns gegenseitig.
- Wir gehen freundlich, fair und respektvoll miteinander um.
- Wir lassen einander ausreden und schreien uns nicht an.
- Wenn wir Kummer oder Sorgen haben, sprechen wir miteinander.
- Wir sorgen gemeinsam dafür, dass wir uns in unserer Wohnung wohl fühlen und halten Ordnung.
- Wir gehen vorsichtig mit den Dingen der anderen um.
- Wir treffen uns einmal die Woche zur Familienkonferenz und besprechen den Verlauf der vergangenen Woche, was gut war und was wir besser machen wollen.
- Zu diesen Zeiten essen wir gemeinsam:
Ich akzeptiere den Vertrag und verspreche mich, daran zu halten:
Ort, Datum:
Unterschriften der Familienmitglieder:
Familienkonferenz einberufen
Routine und Regelmäßigkeit ist für Kinder besonders wichtig. Deswegen rate ich Familien eine regelmäßige Familienkonferenz einzuberufen. Diese findet an einem festgelegten Tag zu einer festgesetzten Zeit statt. Der Tag sollte so gewählt werden, dass alle Familienmitglieder regelmäßig daran teilnehmen können (z.B. samstagsmorgens von 10 -12 Uhr).
Der Termin ist für alle Familienmitglieder verbindlich und sollte ernst genommen werden. Auch die Zeit, die festgelegt wurde, muss eingehalten werden. Sie sollte auch nicht überzogen werden.
In dieser Zeit geht es um die Familie. Störfaktoren wie Handy, Radio, Fernsehen oder Laptop müssen beiseite und nicht in Sichtweite gebracht werden.
Ablauf einer Familienkonferenz
Es empfiehlt sich die Familienkonferenz immer gleich aufzubauen:
- Themen die bei der letzten Konferenz besprochen wurden aufgreifen und reflektieren: Was hat gut geklappt? Wo besteht noch Bedarf?
- Sammeln aktueller Themen, Anliegen vorbringen
- Aufstellen einer Reihenfolge
- Besprechung des ersten Themas
- Ggf. Besprechung weiterer Themen. Sollte nicht mehr ausreichend Zeit vorhanden sein, werden alle noch offenen Anliegen schriftlich festgehalten und für die nächste Woche geplant
- Verabschiedung, Familien-Ritual
Besonders wichtig bei der Familienkonferenz ist, dass jedes Mitglied zu Wort kommen und seine Anliegen offen vorstellen kann. Dabei spielt es keine Rolle wie alt das Mitglied ist, es soll ohne Unterbrechung sprechen können. Es ist erlaubt über alles zu reden, die Themen reichen von Wünschen, Mithilfe im Haushalt, Streitsituationen bis zu Plänen für das Wochenende usw.
Alle Anliegen werden ernst genommen und schriftlich festgehalten, sodass nichts vergessen wird. Die Anliegen werden nach Dringlichkeit sortiert. Entscheidungen, die im Rahmen der Familienkonferenz beschlossen werden, sind für alle verbindlich und werden bis zur nächsten Konferenz nicht mehr diskutiert.
Achten sie darauf, dass ihr Kind aktiv an der Konferenz und der Lösungsfindung beteiligt ist. Sollten die Lösungsvorschläge hauptsächlich von den Eltern kommen, wird ihr Kind wenig motiviert sein, an der nächsten Konferenz teilzunehmen. Achten Sie darauf Fragen offen zu formulieren und geben Sie auch ihrem Kind die Möglichkeit Ideen vorzutragen. „Was können wir tun, damit sich im Flur nicht so viele Schuhe stapeln?“ Oftmals haben Kinder kreative Lösungsvorschläge, auf die wir Erwachsenen nie gekommen wären.
In sehr unruhigen oder impulsiven Familien empfehle ich ein „Sprechsymbol“ z.B. den „Sprechstein“. Wer ihn in der Hand hält darf sprechen und wird nicht unterbrochen. Erst wenn die Person fertig ist und den Stein abgibt, dürfen die anderen Mitglieder reagieren.
Die Eltern sollten dafür sorgen, dass eine angenehme Atmosphäre entsteht. Es sollte eine klare Zeitangabe ohne Zeitdruck gestellt werden. Für alle Familienmitglieder sollte etwas zu trinken und zu naschen auf dem Tisch stehen (Tee, Kekse, Obst). Als gemeinsames Ritual kann eine Kerze angezündet werden. Diese kann auch für ein Abschiedsritual genutzt werden.
Sollten Themen und Regeln besprochen werden, die auch für den erweiterten Familienkreis relevant sind, denken sie daran, alle wichtigen Personen zu informieren oder ggf. zur nächsten Konferenz einzuladen!